Geschichten aus dem Irrsinn – Oder wie Fake-News zur Fake-Wirklichkeit werden

Neulich im Rewe. Eine eher etwas kräftigere Frau mittleren Alters stand mit ihrer wahrscheinlich gerade noch Teenie-Tochter direkt vor mir an einem Regal. Beide unterhielten sich in einem deutlichen Kölsch über die Maultaschen, die die ältere Dame in ihren Händen hielt.

Da ich nicht mal einen Meter hinter den Beiden stand und sie sich eher etwas lauter unterhielten, kann ich den Dialog ziemlich genau wiedergeben. Natürlich ist es kein Mitschnitt, aber es wird so oder so ähnlich gewesen sein. Ich habe den Dialog jedoch entkölscht.

Mutter: Ja, die Maultaschen sind nicht gut.

Tochter: Wieso? Die kaufen wir doch immer.

Mutter: Die haben das doch jetzt geändert. Hab ich dir doch gesagt.

Tochter: Was haben die geändert?

Mutter: Das war früher mit Schweinefleisch. Aber das ist da nicht mehr drinnen.

Tocher: *überrascht*

Mutter (zeigt auf die Liste mit den Zutaten): Ja, die haben das da rausgeholt, das mit dem Schweinefleisch. Das ist da jetzt nicht mehr da drinnen, weil die Flüchtlinge das nicht so mögen.

Die Mutter legte das Paket mit den Maultaschen zurück und beide gingen weiter, während sie weiter über dieses Thema sprachen. Aber hier hatte ich mich kopfmäßig bereits ausgeklinkt, weil ich darüber nachdachte, ob „die“ das wirklich gemacht haben, also die Rezeptur zu ändern, weil „die Flüchtlinge“ „das“ nicht „so mögen“. Ich dachte noch, das wäre wohl ne krasse Nummer, auch wenn ich mir das noch gar nicht vorstellen konnte. Ich kaufte genau diese Maultaschen auch schon eine ganze Weile und habe bestimmt schon seit langem nicht mehr auf die Zutaten geachtet. War mir eventuell gar nicht aufgefallen, dass das Zeug zwischenzeitlich ganz anders zubereitet wird? Aber irgendwas musste sich ja geändert haben. Immerhin hielten die Beiden das Paket in der Hand und schauten minutenlang auf die Zutaten. Ich suchte in meinem Kopf nach einer sinnvollen Erklärung. Vielleicht hatten die Hersteller eine „schweinfreie“ Variante auf den Markt gebracht oder es ist einfach nur eine vegetarische Version. Es gibt ja auch „halbe Hähnchen“ in vegetarisch. Warum also nicht Maultaschen? So ungefähr meine Gedanken zu dem gerade aufgeschnappten Dialog. Ich trat also einen Schritt vor und griff zu genau dem selben Paket, das gerade von meinen Vorgängern begutachtet und für Schweinliebhaber als nicht mehr brauchbar eingestuft wurde.

Ich warf sofort einen Blick auf die Zutaten. Der erste Bestandteil in der Liste der Zutaten: „Schweinefleisch“.

Zum Glück, dachte ich reflexartig und sagte es vielleicht sogar. Aber im nächsten Augenblick wich das Gefühl der Erleichterung vollständig der Perplexität. Viel schlimmer aber wurde es erst im Nachhinein. Je mehr ich einordnen konnte, was da passiert war, von welchem Irrsinn ich da Zeuge wurde, desto mehr baute sich ein neues Gefühl ein. Ein langsam, aber stetig wachsendes Gefühl, dass ich nicht mehr sehr lange an meiner Hoffnung werde festhalten können, dass der ganze Scheiß, der sich in den letzten Jahren so sehr verselbständigt hat, wieder zurückgedrängt werden kann.